Hier können Sie Texte lesen, die unsere Mitglieder selbst geschrieben haben.
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vatermutter
wer ist dieser gerd
diese brigitte?
die brust
die mich nicht stillte
die hand
die mich nicht führte
2 unbekannte
die mir mein leben schenkten
es mir gaben
mir verabreichten
eine lieblos hingestellte speise
die satt macht aber nicht schmeckt
2 fremde
neben denen ich herwuchs
ohne verbindung
ohne halt
entfernt und unnahbar
vom ersten tag an
2 welten
in die ich nicht vordringen konnte
nicht vordringen durfte
in die ich nicht geholt wurde
die verschlossen blieb
KEIN ZUTRITT!
heute drehen sich
unsere planeten nebeneinander
und ich will nicht mehr fort
aus meiner selbst gebauten welt
die mir heimat und familie wurde
heute bleibe ich hier
und weiß euch dort weit weg
und es tut nur noch selten so weh
wie damals als kind
indes bleibt eine lücke
eine fehlstelle
kratertief
an einer stelle in meiner brust
die sich wohl nie mehr schließt
Wenn ich diese Erde wäre
Wenn ich diese Erde wäre,
löste auf ich Hass und Not,
würde geben allen Wesen,
Licht und Liebe, Trank und Brot.
Wenn ich diese Erde wäre,
kämpft´ ich gegen Angst und Pein,
dass kein Kind mehr traurig wäre,
niemals einsam, nie allein.
Wenn ich diese Erde wäre,
hätten alle Bäume Platz,
und wir alle könnten leben,
ohne Eile, Stress und Hatz.
Wenn ich diese Erde wäre,
gäb es Krieg nicht und Gewalt.
Alle Menschen würden friedlich,
miteinander glücklich alt.
geschrieben von Gerd am 10.03.09 in der Traumaklinik
hier erstmals veröffentlicht am 02.02.17
schlaflos
ich liege
am liebsten
rechtsseitig mit
fest angewinkelten beinen
die knie bis fast zur
brust gezogen
zusammengekauert
den kopf gebeugt
wie ein baby
so klein wie möglich
so lebendig wie nötig
so leise wie gefordert
ein bündel leben
mit pochendem herzen
unruhig&wild
traurig&still
ein baby das
nie schlafen kann
ein baby das
nicht weiß ob es leben will
das baby mit der
unstillbaren sehnsucht
nach der mutterbrust
nach der vaterhand
bin ich heute noch
manchmal
immerwieder
von Sven geschrieben am 09.04.16
Mutter warum?
Ich kam auf die Welt an einen warmen Junitag,
als dein 3. Kind, ich jedoch kein Wunschkind war.
Als erstes Mädchen, nach zwei Jungen, war klar,
dass ich zum Glück dann bei dir willkommen war.
Viel später ich dann von dir erfuhr,
du wolltest wieder zu deinem Exmanne nur.
Tabletten hast du deshalb eingenommen,
um mich aus deinem Bauche zu bekommen.
Du hast uns Kindern die Schuld gegeben,
dass ihr konntet nie glücklich miteinander leben.
Am liebsten hättest du uns alle gesteckt in ein Heim,
Mutter ich kann es nicht glauben, Nein, nein, nein.
Mutter, warum musstest du mich als junges Leben
in dies blöde Heim für ganze fünf Tage die Woche geben?
Ich war als so kleines Mädchen doch nicht in der Lage
zu verzichten auf eure Liebe Woche um Woche ganze vier Jahre.
Ach Mutter ich sehnte mich jeden Tag immer so sehr
nach Geborgenheit und Liebe. Aber dein Herz blieb eiskalt und leer.
Mutter ich begreif es nicht, andre hatten auch Kinder, so viele.
Sie arbeiteten schwer und hatten dennoch Zeit für Kinderspiele.
Auch um allabendlich ihren Kindern Gute Nacht zu sagen
und da zu sein, für ihre Sorgen und Ängste an allen Tagen.
Mutter, ach Mutter ich muss dich ernsthaft fragen,
warst du je glücklich ohne mich an den vielen Tagen?
Mutter ich frage immer wieder nur dich,
wo warst du nur, liebtest du mich denn nicht?
Nach Mutterliebe sehnte ich mich als kleines Kind
und auch noch als ich schon in die Schule ging.
An mütterliche Wärme und Nähe es mir fehlte,
aber nur das gehorsame Mädchen für dich zählte.
So kam was kommen musste für uns zwei.
Meine Gefühle wolltest du nicht sehen. Nun ist es vorbei.
Eine Bindung zwischen uns, die hat es nie gegeben!
So sehr ich auch danach suchte mein ganzes Leben.
Heute, da du mir nicht helfen wolltest in meiner Not,
diktiertest mir Schuldgefühle getreu deinem Gebot:
Deine Familie musste leben stets nur zum Schein,
So sollte es bis heute bleiben, nach außen ach so rein.
Jahrzehnte später ich erst mit dir reden konnte über die Tat.
warum dies alles mir geschehen ist, ich wollte nur deinen Rat.
Getreu deinem Motto: was nicht sein darf, dass nicht sein kann
Du hast mich verletzt und aus dein Leben geworfen sodann.
Du hast nichts verstanden! Ich wurde so sehr verletzt von dir.
Nach deinem Tod hast du noch mal so bitter getreten nach mir.
Die Tatsachen hast du verdreht, um wie immer dein Schein zu wahren.
Ich wollte reden. Du verweigertest dich. Du wolltest nichts offenbaren.
Tief gekränkt hast du mich, du wolltest einfach nicht verlieren.
Immer zähltest nur du und wolltest, dass wir Kinder funktionieren.
Ich die Brave, habe mein Schweigen gebrochen und fühle mich frei.
All die schmerzlichen Gedanken verstummt in einem stillen Schrei.
Mutter du wirst es nicht glauben. Aber all das ist nun endlich vorbei.
Denn ich bin glücklich und fühle mich Frei.
Manuela
Nov. 2013
Letzten zwei Strophen Jan. 2016
schlaflos 2
das ichkind liegt
tagenächtelang
im gitterbettchen
hellwach im innern
verwundet
an der körperseele
geschlagen
am seelenkörper
zu traurig
zum weinen
zu müde
zum schlafen
von Sven geschrieben
Gefühlskarussell
Das Jahr hat gerade begonnen. Die Zeit ist vorangeschritten und die Uhr zeigt schon halb Zehn. Ich sitze auf meinem Bett und starre aus dem Fenster. Ich registriere zwar die Sonne und den blauen Himmel, dennoch fühle ich mich müde, kraftlos und erschöpft. Mein Gefühlskarussell beginnt sich zu drehen und die Gedanken nehmen ihren Lauf.
Ich stelle fest, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist und in mir steigt plötzlich wieder eine altbekannte Traurigkeit hoch. Der plötzliche Tod meines Vaters machte mich betroffen, aber zugleich auch wütend. Ohne Antworten auf meine vielen Fragen zu bekommen, verließ er mich schweigend und niemals wiederkehrend.
Meine Mutter wollte und will von allem, was mir wieder fahren ist, nichts wissen. Als ich ihre Hilfe am dringendsten benötigte, verstieß sie mich als Nestbeschmutzerin. Sie will weiter leben in der Scheinwelt „Heile Familie“. Dabei habe ich doch immer funktioniert und tat stets, was sie von mir erwartete. Immer aus Angst nicht geliebt zu werden.
Die Enttäuschung über die fehlende Unterstützung meiner Eltern verletzte mich tief in meiner Seele und es tat weh. Sie stimmten mich traurig. Dennoch bin ich froh, weil ich mich jetzt wirklich frei fühlen kann. Keine Fremdbestimmung meines Lebens, keine verletzenden Worte mehr durch sie und ich kann beginnen meine Träume endlich zu leben.
Ich versuche meine Gedanken zu ordnen und bemühe mich, positiv zu denken. Ich schaffe es einfach nicht, mich loszureißen aus der Grübelei. Ich frage mich, warum ich in diese Not geraten bin? Wieder fahr ich Achterbahn mit meinen Gefühlen. Immer wieder geht es rauf und runter. Ich kämpfe dagegen an und will meinen Blick nun endlich nach vorn richten.
Ich denke an die Worte, die mir jetzt mein Therapeut sagen würde und richte meine Gedanken auf das, was ich bisher schon geschafft habe. Auf meiner langen Lebensreise lernte ich mich und mein gelebtes Leben neu zu begreifen. Schmerzlich und schwer war dieser Weg. Nun will ihn auch zu Ende gehen.
Die Gedanken halten mich noch immer gefangen und ich denke: Hör auf damit und lebe jetzt dein Leben! Doch was ist mein Leben? Was bedeutet Glück für mich? Ich fange an, die eigenen Gefühle zu fühlen, sie zu begreifen und auch auszudrücken.
Nie wieder möchte ich mich danach richten, wie andere über mich denken und was sie wollen. Nein! Ich nehme mir jetzt vor, nur noch das zu tun, was ich mir von Herzen wünsche. Endlich „Ich“ sein zu dürfen, das scheint mir jetzt wichtig. Nur so kann meine Seele Frieden finden.
Und ich schaue aus dem Fenster, sitzend noch immer auf meinem Bett. Plötzlich sehe ich den herrlich blauen Himmel und die Sonnenstrahlen kitzeln meine Seele wach. Endlich zieht es mich aus meinem Bett, hinaus in die Natur. Ich sehe den Reif auf den Bäumen, den gefrorenen Pfuhl und die weiß bedeckten Wiesen im Park. Ich atme die klare kalte Luft ganz tief in mich ein, spüre wie sie Leben in meinem Körper fließen lässt. Ich strecke alle Fühler nach der Sonne aus und empfinde endlich was ich suchte.
Zufriedenheit, innere Ruhe und ein Stückchen Glück.
Von Manuela überarbeitet im Januar 2015 aus ihrer ursprünglichen Version
„Liebe Mama,
viele Jahre sind vergangen, in denen ich glaubte, du liebst mich, weil ich bin. Jetzt weiß ich, du liebst mich, weil ich war. Ich war ein Kind, das sich anpasste an deine Lebenswirklichkeit, nicht nachfragte und dich auch nicht kritisierte. Ich war eine Tochter, die ihrer Mutter jedes Wort glaubte, sie beschützen wollte und ihr zu ihrem Recht verhalf. Deine Wut habe ich lange nicht sehen wollen. Deine Wut auf alles, was anders ist als du, denn das kannst du nicht verstehen. Es gab Situationen, die mir hätten die Augen öffnen sollen. Deine unglaubliche Ignoranz und anschließende Depressionen, die mich oft nicht schlafen ließen. Deine offenen Wunden, die du an mir ausgelassen hast.
Du kannst mich nicht verstehen, weil ich erwachsen geworden bin und du noch das Kind bist, das in Abhängigkeit vom Elternhaus existiert. Deine eigene tyrannische Mutter lässt dich verzweifeln und du glaubst mit ihr mitleiden zu müssen, statt selbst zu leben. Dieses Lebensgefühl hast du lange Jahre auf mich übertragen mit der Konsequenz, dass ich Kinder vor Müttern wie dir bewahren möchte, ihnen helfen möchte, auf eigenen Beinen zu stehen. Deine übertriebene Fürsorge einerseits versteckt deine Missgunst ja vielleicht auch Neid auf mich andererseits. Eine Erkenntnis, die so sehr schmerzt, dass ich es manchmal nicht aushalte. Die Mutterliebe lässt sich eben durch nichts ersetzen. Du sagst, ich war ein Wunschkind und meinst, ich wollte dich haben. Ich bin aber! Ich bin ein eigener Mensch. Doch das hast du nicht verstanden und wirst es auch nicht mehr. Ich habe Deutsch studiert, um meine Muttersprache zu verstehen. Allerdings musste ich erst selbst Mutter werden, um zu begreifen, dass mir mein Kind nicht gehören kann, das ich sein Lebensgefühl nur im Gespräch erfassen und verstehen lerne und dass das genau der Punkt ist, was du nicht kannst – zuhören und verstehen. Das Lebensgefühl meiner ersten dreißig Jahre ist deshalb aufgezwungen und die Freiheit, nach der ich mich sehne, ist meine Freiheit, eigene Entscheidungen treffen zu können und Nein zu sagen, gehört nunmehr dazu. Ich brauche dich nicht mehr. Dennoch wäre es schön gewesen, eine Verbündete im Lebensgefühl gehabt zu haben. Das dies eine große Enttäuschung ist, damit werde ich leben lernen müssen. Das Gefühl dazu heißt Trauer. Trauer um die vielen Jahre, in denen ich mir etwas vorgemacht habe. Viele Jahre, in denen ich nicht frei war, weil ich glaubte, jemanden gehorchen zu müssen. Keinen eigenen Willen haben zu dürfen. Jetzt weiß ich, dass es ein Irrglaube war und doch fällt es mir schwer, Dinge hinzunehmen, Hierarchien einzuhalten und vor allem etwas nicht „zu hören“.“
Was haben die denn bei mir richtig gemacht? Der weiße Nebel legt sich nur zu gut über die Erinnerungen. Die Frage lautet daher wohl eher, was ist bei mir richtig, obwohl ich eine Kindheit in der Diktatur hatte?
geschrieben von Nova Reload (Synonym)
Alte Briefe
da liegen unsere alten Briefe auf dem Bett
und riechen nach staubig altem Papier
haben dreißig Jahre im Karton geschlummert
sind den Flammen knapp entgangen
denen ich sie am Lagerfeuer übergeben wollte
weil sie so schmerzten und ich sie
aus Angst vor der Begegnung mit mir
nie wieder lesen wollte
Briefe aus einer wahnhaften Zeit
Briefe von Kindern der Staatssicherheit
in seelischer Not geschrieben
zerrissene Menschen waren die Autoren
die nichts hatten außer ihrer Liebe
um dem „Organ“ standzuhalten
um nicht zu zerbrechen an Trennung
Konspiration und Konditionierung
an der Lieblosigkeit einer Staatsmaschine
und deren betongrauen Vollstreckern
es war denkbar knapp
ich bin am Boden zerstört und weine nur noch
über mich wie ich damals war
aber ich muss mich begreifen
und weiterlesen und weiterdenken
über diese verbleichenden Worte auf fadenscheinigem Papier
geschrieben wie von lebendig begrabenen Liebenden
doch es gibt uns noch aber
wir sind nicht mehr die
die den Stift in den Briefen führten
wir sind älter als wir sein sollten
wir sind trauriger als wir sein sollten
es sollte so etwas wie das „Organ“ nicht geben
wir lernen
wieder zu lachen
aber schaffen wir zu lachen ohne zu weinen
wie Tucholsky sagt?
letzten Endes hat die Liebe gesiegt
wie im Märchen
es gibt kein happy end
wir haben Federn gelassen
versuchen mit nassem Gefieder
gerupft und klamm
trotzdem zu fliegen
zu lieben
zu sein
(Frieda 22.04.2018)